Ich habe einen etwas altmodischen und romantischen Respekt vor dem Handwerk. Nun gut, einige Disziplinen sind einem Außenseiter vielleicht zugänglicher als andere; einem Konditor, Goldschmied oder Schreiner sehe ich lieber bei der Arbeit zu als einem Sanitärinstallateur. Aber wenn so ein Handwerker mir seine Werkzeuge erklärt und ich merke, wie er stolz auf seine Arbeit ist, wenn der letzte Grat weggefeilt ist und das Sahnehäubchen oben drauf sitzt, dann erfüllt mich das mit einem gewissen Respekt vor der Menschheit. Ja, auch Elstern benutzen Werkzeuge, aber halt doch eher keine Stechbeitel aus Werkzeugstahl. Man kann sagen was man will gegen diese Menschheit, aber sie hat es ganz schön weit gebracht.

Handwerk muss nicht unbedingt ehrbar sein. Ab und zu mal erhalte ich elektronische Post von einem Betrüger, der sich richtig Mühe gegeben hat: Recherchiert, dass ich der Kassenwart im Verein bin, und eine Nachricht geschrieben, die vorgibt, vom Vorsitzenden zu sein – es müsse bitte dringend Geld überwiesen werden! Das hätte fast klappen können. Extra eine Domain registriert, die der „richtigen“ gleicht bis auf ein „r-n“, wo ein „m“ sein müsste. Chapeau, sage ich da, Du kriegst mein Geld zwar nicht, aber einen kleinen Applaus gebe ich gern, und fühle mich fast geschmeichelt – da hat jemand sich Mühe gemacht, mich zu beeindrucken.

Folgerichtig verachte ich natürlich die Schlamperei. Und die wird nirgends so offenbar wie im Internet. Während sich ein Betrüger im richtigen Leben wenigstens noch ein kleines bisschen Mühe geben muss, um seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, findet im Internet der unfähigste Kleinkriminelle immer noch einen Dümmeren, der ihm auf den Leim geht. Da trudeln Nachrichten ein mit dem Betreff „${betreff}“ und mit der Anrede „Lieber ${name}“, die mir dann aber versichern, dass ein nigerianischer Bankangestellter mich ganz persönlich (also ${name}) zum Komplizen für eine Veruntreuung ausgewählt hat; da schreibt mich der Direktor der Weltbank-Lotterie persönlich an („Ihre Email hat gewonnen“) und bittet um Antwort auf qf82en9@gmail.com, und DHL möchte, dass ich $3.40 Zustellgebühren zahle für ein gewonnenes iPhone. Russische Hacker haben mich beim Onanieren gefilmt und mein Adressbuch heruntergeladen, und nun muss ich Bitcoin bezahlen, weil sie sonst den Film an alle meine Kontakte senden. Wie ich heisse, wissen sie seltsamerweise nicht.

Ich weiß, diese Kommunikation ist vollautomatisch, da verschickt jemand einfach eine Million depperte Epistel, und wenn zwei oder drei Opfer anbeißen, hat es sich schon gelohnt. Aber irgendwie bin ich jedes Mal beleidigt, dass jemand glaubt, er könnte mich mit solcher Schlamperei beeindrucken. Was ist das nur für eine Welt, in der nicht mal die Halunken mehr ihr Handwerk beherrschen. Gebt Euch gefälligst Mühe, wenn ihr mich verarschen wollt!

So eine Hacker-Mail hat mein Partner vor kurzem auch erhalten... Wie immer mit einem Haufen Schreibfehlern drin ^^

Der Punkt ist, dass ein Depp der zahlt ausreicht :3

Ach, @Ralf der Rabe, du sprichst mir aus dem Herzen. Hatte gerade auch so ein Erfahrung gemacht ... und bin beinahe reingefallen. Trotz meiner gerade noch rechtzeitig gekratzten Kurve kriege ich jetzt allerdings laufend Berge von Junk-Mails. Leider gibt es kein Gesetzt, was die Weitergabe von Daten verbietet und sich wirklich durchsetzen lässt. Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als einen neuen E-Mail-Account zu eröffnen und meinen jetzigen zu löschen. Denn die Schweinehunde begnügen sich nicht mit Mails, nein die rufen sogar an und bedrohen mich.

Anrufer: "Ach, wenn sie eben nicht kündigen wollen, dann zahlen sie eben ab nächsten Monat 67 € Abogebühren."
Ich: "Was für ein Abo? Ich habe nichts abgeschlossen?"
Anrufer: "Ein Abo über Rabattangebote, bei dem sie über Preisaktionen und Rabattvorteile von über 5000 Unternehmen informiert werden und sie nutzen können."
Ich: "Ein Abo für Newsletter? Für 67 € monatlich?" Ich bekam Schnappatmung. "Warum sollte ich so dämlich sein, und für so etwas ein Abo abschließen wollen? Auf welcher Website soll ich denn so einen Vertrag abgeschlossen haben?"
Anrufer: "Das kann ich ihnen nicht sagen. Bei 500000 Teilnehmern kann ich unmöglich wissen, über welche Website sie ihren Vertrag gemacht haben." Irgendwie wirkte er angepisst.
Ich: "Aber sie rufen doch an, um mir zu sagen, dass ich meinen Vertrag kündigen soll, wenn ich nicht ab nächsten Monat zahlen will." Inzwischen wurde ich sauer und leider auch etwas lauter. "Dann müssen sie doch wissen, um welchen Vertrag es sich handelt. Wer ist denn der Vertragspartner und in wessen Auftrag rufen sie eigentlich dann an?"
Anrufer: "Ach, wissen sie Frau P..., wenn sie psychische Probleme haben, kann ich nichts dafür. Sie wollen nicht kündigen, gut. Ich werde das einfach so weiterleiten."
Ich: "Dann sagen sie mir doch einfach ..."
Der Anrufer hatte einfach aufgelegt.

Das war übrigens ein "Sie haben gewonnen" von Google Chrom, bei dem ich angeblich Stromkosten in Höhe von 300 € gewonnen habe, dafür aber ein Abo der HörZu-Zeitschrift abschließen sollte, wie sich einen Link später herausstellte. Gut, dachte ich, das Abo kostet 120 € jährlich. Da habe ich immer noch gut gemacht. Und solange ich den Gewinn nicht habe, kann ich das HörZu-Abo immer noch kündigen. Der Gewinn kam natürlich nicht, nur der Abo-Vertrag. Leider ohne Geschäftsadresse. Auch im Netz war keine Adresse zu finden, bei der ich die HörZu-Zeitschrift wieder kündigen hätte oder wenigstens irgendjemanden schriftlich/telefonisch/per Mail hätte hätte erreichen können. Offenbar ist es gesetzlich völlig legitim, Verbrauchern Verträge aufzuschwatzen ohne jemals ein Geschäftsadresse angeben zu müssen. Was soll`s. Es gibt im Netz für dieses Problem Spezialfirmen, die professionell solche Verträge für dich kündigen. Kostete zwar 7,50 €, aber das war es mir wert. Hat auch gut funktioniert. Die Kündigungsbestätigung war 4 Tage später in meinem Briefkasten.

Doch was mir wirklich Angst macht, ist, dieser Typ am Telefon kannte nicht nur meine E-Mail-Adresse und meine Telefonnummer, sondern auch meine genaue Adresse und sogar meine Bankverbindung. Woher?, frage ich mich. Das kann doch nur ein Fishing gewesen sein, dass sofort Daten abgegriffen hat, sobald ich den Gewinnspiellink angeklickt hatte. Das ist gesetzlich verboten, aber wie soll man jemanden verklagen, von dem man weder seinen Namen noch den Namen seiner Firma hat? Auch habe ich keinerlei Beweise. Da ich nur normaler Verbraucher und kein Hackerspezialist bin, sind die für mich auch schwerlich zu beschaffen. Und mein Telefon zeichnet leider nicht automatisch jeden Anruf auf, was als Beweis allerdings auch viel zu dünn wäre, zudem auch noch ungesetzlich, denn der Anrufer hätte der Aufnahme des Gespräches zustimmen müssen.

Kurz um, ja es gibt Betrüger, die strengen sich mächtig an. Nicht allein mit besonders ausgefeilten Techniken, sondern auch mit Beharrlichkeit und bedrohlicher Penetranz und Skrupellosigkeit.

@Samantha Sam
Ich bin noch so eine Verrückte, die man offiziell im Telefonbuch finden kann.

Ich erhalte regelmäßig Anrufe, in denen die mir erklären, dass ich nicht rechtzeitig mein Gewinnabo gekündigt habe und ich deswegen jetzt X-Euro bezahlen muss. Netterweise könnte ich da reduzieren, wenn ich jetzt ...
Meist mach ich mir einen Spaß daraus und stelle Gegenfragen, die der am anderen Ende nicht zu beantworten weiß. Meist legt die Gegenseite dann genervt auf.

Was ich auch immer lustig finde ist der Anruf, dass ich etwas gewonnen habe.
Da wird mir dann das Auto in Aussicht gestellt, oder gefragt, ob ich doch lieber das Geld haben möchte.
Zum Schluss kommen die dann damit, dass die Sponsoren das nur im Gegenzug für ein Zeitschriftenabo machen, das ist nach einem Jahr kündbar und doch preiswerter als beim Einzelkauf.
Daraufhin freue ich mich ganz doll und frage, ob die auch die 'Philip' haben, die würde ich echt gern abonnieren (haben die nicht, gibt es definitiv nur im Handel, kommt aller zwei Monate und ist ne Kinderzeitschrift. Mit Bastelteil, ich finde die wirklich toll).
Dann tut mir das natürlich schrecklich leid, die anderen Zeitschriften hab ich entweder alle schon (was ja gar nicht stimmt) oder will ich nicht. Dann müssen sie doch bitte jemanden anderen beglücken. Meist hab ich danach ein paar Monate Ruhe.

Ach, @falky67, ich bin in solchen Dingen ein echter Dummkopf. In den letzten Jahren habe ich sehr aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Im Netz trete ich nur unter Pseudonym auf. Sogar mein E-Mail-Name ist ein Pseudonym. Natürlich shoppe ich trotzdem auch online, wo sich das Preisgeben von persönlichen Daten nicht vermeiden lässt. Aber ich achte peinlich genau darauf, was ich preisgebe und ich mache nie, niemals ein Häkchen in das Newsletter-Kästchen. Auf diese Weise bin die ganze Zeit von solchen Attacken weitestgehend verschont geblieben. Somit hab ich auch keine Erfahrungen mit so etwas. Aber offenbar haben die Geier nur darauf gewartet, dass ich einmal die Nase rausstrecke und einen Link anklicke. Passiert mir sicher nicht noch einmal.
Was mich aber am meisten dabei ärgert, ist nicht einmal der Betrug an sich. Der Typ am Telefon ist nur ein armer Tropf, der froh ist, in einem Callcenter seine 8,50 € Mindestlohn verdienen zu dürfen. Deshalb hat er aber noch lange nicht das Recht, mich zu bleidigen und zu bedrohen. (Ich habe nicht ganz ganze Gespräch wiedergeben. Da war noch einiges andere mehr.) Dieser Typ weiß hundertprozentig, dass die meisten Aufträge seines Chefs von Betrügern sind und er nur die Drecksarbeit für seinen Brötchengeber machen muss. Seinen Frust darüber aber an mir auszulassen, ist nicht nur frech sondern charakterlos. Aber so sind manche Menschen nun mal. Was mich aber noch mehr ärgert ist, dass es gegen solche Praktiken keine Gesetze gibt, die sich in der Praxis auch durchsetzen lassen. Hier steckt die Gesetzgebung wirklich noch in den Babyschuhen. Aber offenbar stört das niemanden, außer mir. Wahrscheinlich muss ich nur meinen Gerechtigkeitssinn etwas herunterfahren und mein Mitgefühl mit den Opfern solcher Betrüger besser unterdrücken.

Manchmal scheint es mir, als wäre Ignoranz, Leidensfähigkeit und Anpassung eine Art Wettbewerb. Wer gewinnt, darf sich "Mitglied der Gesellschaft" schimpfen, wer nicht, muss sich eben mit einem Platz auf der Bank für "Verrückte und Aussätzige" begnügen.

Zitat von Samantha Sam im Beitrag #5

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Manchmal scheint es mir, als wäre Ignoranz, Leidensfähigkeit und Anpassung eine Art Wettbewerb. Wer gewinnt, darf sich "Mitglied der Gesellschaft" schimpfen, wer nicht, muss sich eben mit einem Platz auf der Bank für "Verrückte und Aussätzige" begnügen.

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Das habe ich auch nie verstanden, wo diese kriminelle Energie herkommt.
Bei uns im Job (ambulante Familienhilfen) haben wir aber auch öfter mit Knastis zu tun.
Und da ist die einhellige Meinung so in der Richtung: "Wenn einer dumm ist, muss man das ausnutzen. Und es gibt viele Dumme da draußen."
Für einige ist da echt Potenzial, sich zu bereichern, weil sie glauben, dass sie klüger sind als andere.
Erst recht, wenn sie das immer wieder glauben. ;)

Ja, das wäre schön, wenn darüber mal jemand nachdächte @Die Schreiberin. Leider tun das nicht viele.

@schaldek, du hast sicher recht, dass Kriminelle grundsätzlich mehr nach dem "Gesetz des Stärkeren" leben. Doch sollten Kriminelle ein Vorbild für unsere Lebensweise und unsere Ansichten sein? Wohl nicht. Erst recht nicht, wenn es um Gesetzgebung zum Schutz unbescholtener Bürger geht, ganz egal wie dumm sie sind. Dafür sind Gesetze m. M. n. gemacht, um Ahnungslose und Wehrlose vor den Wölfen zu schützen. Nur leider sind Gesetzgeber manchmal nicht viel schlauer als jene, für deren Schutz sie arbeiten sollen.

Ich jedenfalls habe das Gefühl, dass das Banner "höher, weiter, schneller" unsere Gesellschaft immer mehr verroht und sich dadurch (auch wenn ich jetzt vielleicht ein Lanze breche) immer weiter den Idealen eines Kriminellen nähert. Friss oder stirb! Gewinnen kannst du nur, wenn du bereit bist über Leichen zu gehen! Sei hart und unnachgiebig, Mitgefühl macht schwach und angreifbar! Wer nichts leistet kriegt auch nichts! Niemanden interessiert, wer du bist, wichtig ist nur, was du leistest! Nur mit Ellbogen kommst du weiter! u. s. w. Wer hat solche oder ähnliche Sätze nicht schon gehört? Aber ist uns überhaupt bewusst, was sie genau bedeuten? Und bei all der Entwertung von Menschlichkeit spielt es keine Rolle, ob es um dumme, intelligente, kranke, gesunde, starke oder schwache Menschen geht. Wir sind die erfolgreichste Spezies, weil wir danach streben, dass es keine Rolle spielt! Solidarität, Mitgefühl und Toleranz hat uns erst als Gesellschaft stark gemacht. Schaut doch nur die Länder an, in denen Egoismus, Macht- und Habgier regieren. Kann man dort nicht sogar eine direkte Präferenz zwischen wirtschaftlichem Misserfolg und dem fehlen von Solidarität, Mitgefühl und Toleranz erkennen? Wenn es tatsächlich so ist, bewegen wir uns also im Umkehrschluss auf ein Afrika des letzten Jahrhunderts zu, wenn wir so weiter machen. Da kann ich nur beten, dass ich mich irre!