Boah ey, ich hab echt so‘n Hals heute, aber echt. Also ich kann ja nich so gut mit Leuten. Also Menschen. Haustiere, kein Problem, Hund, Katze, Wellensittich, alles schon gehabt, easy peasy. Aber Menschen, da bin ich ganz mit Sartre. War ja sonst bisschen n‘ komischer Vogel, aber die anderen sind wirklich die Hölle. Das ging mir ja schon im Studium so, achwas, in der Schule. Im Kindergarten. Die anderen sind meistens doof, und die paar, die nicht doof sind, die verstehen mich nicht. Oder ich sie nicht, ist auch egal, gibt halt immer irgendwie Zoff. Männer natürlich im besonderen, fang mir bloß nicht damit an. Die, die ich im Bett haben will, die hauen ab, und die, die endlich abhauen sollen, verstehen das erst, wenn ich ihnen den Koffer vor die Tür stelle. Mein Chef ist ein Arsch, meine Kollegen haben den IQ einer Kartoffel. Mehr braucht‘s nicht zum Straßenbahnfahren. Am Anfang dachte ich noch, ich bleib an der Uni, mach was mit Literatur, aber ein Jahr als Assistentin beim Prof hat mir gereicht, was man sich da mit Deppen rumschlagen muss, nee danke. Straßenbahn ist ein sicherer Job, und zwischen mir und den Leuten is‘ ne dicke Scheibe. Besser als Taxi, das ist die andere Option für Germanisten. Machmal klopft irgendso ein hirnloser Passagier an die Scheibe dran und will ein Ticket kaufen. Keine Augen im Kopf, denk ich immer, und zeig auf das Riesenschild: „Fahrkarten am Automat in der Wagenmitte.“ Boah ey, wenn ich da schon dran denke, krieg ich gleich nochmal n‘Hals, erst erlauben die Knallköpfe vom Duden „wegen“ und „während“ mit Dativ (der Dativ ist dem Genitiv sein Feind, hä hä), und dann sind diese hirnverbrannten Idioten vom Verkehrsverbund sogar für den Dativ zu blöd. Also ich so zu mir, Ulrike, sag ich mir, wenn das Leben für dich so Scheiße ist, dann werd halt Autorin, da bist du der Boss und bestimmst. Und ist ja nicht so, dass ich nicht schreiben könnte, also gleich mal ein gescheites Notebook gekauft und angefangen. Boah, das war geil, jeden Deppen, der mir am Tag über den Weg lief, konnte ich am Abend in einer Kurzgeschichte zu Tierfutter machen! Wenn mich ein junger Schnösel ankäst – schwupps, in der Story reißt er eine Frau auf und kriegt dann keinen hoch. Hä hä, erektile Dysfunktion, geschieht ihm recht. Gibts mal wieder Verspätung, weil so‘ne Omma ihren Krückstock zwischen die Türen schiebt, schreib ich ne Geschichte, in der sie samt Stock zur nächsten Haltestelle geschleift wird. Und der Chef wird erwischt, wie er Druckertinte aus dem Büro klaut und bei E-Bay verhökert, um seine Spielsucht zu finanzieren. Aber ich blöde Kuh musste natürlich größenwahnsinnig werden und meine Sachen unbedingt anderen Leuten zeigen wollen. Merkste was, Ulrike? ANDERE LEUTE! War ja klar, das das sowas von‘nem Griff ins Klo wird. Ich mich also bei so‘m Forum im Internet angemeldet, Deutsches Autorendingsbums irgendwas. Mein Gott was für Idioten da, das glaub mir echt keiner. Ich so ein paar Geschichten hochgeladen da aus meinem reichen Fundus, und was da für Kommentare kommen, ich könnts ja nicht mit Thomas Mann aufnehmen, oder ob ich nicht doch lieber Kabarettistin werden wollte oder so. Hab bisschen gelesen, was die da so schreiben, scheint aber so der normale Umgangston zu sein. Thomas fucking Mann, ja danke, da können ja gleich alle einpacken, diese Möchtegern-Feuilletonisten da, ich denen natürlich gleich den Stinkefinger gezeigt, gibt ja genug von diesem Foren, hab mich gleich beim nächsten angemeldet, diesmal ein zwei andere Geschichten hochgeladen. Aber OMG da war ich irgendwie in ein Selbsthilfeforum für traumatisierte Autoren geraten, die da immer so „uh mir gehts heute schlecht ich hab Schreibblockade“ und alle anderen „tätschel, tätschel, das wird schon wieder“, und der erste Kommentar zu meiner Geschichte war, dass ich nicht „Schwuchtel“ schreiben darf und überhaupt bei so viel Gewalt müsste ich eine Triggerwarnung machen, und ob ich vielleicht über meine Probleme reden wollte. Häh, geht‘s noch? Gleich wieder abgemeldet in dem Snowflake-Club, das Gejammer brauch ich echt nicht noch nach Feierabend. Also Forum Nummer drei, diesmal mir bisschen Mühe gemacht und schönes Profil geschrieben mit Foto und nur mal zum Ausprobieren genau die gleichen zwei Geschichten hochgeladen wie bei dem Thomas-Mann-Scheissdings da, nur zum Gucken. Und, gleich fanden zwei Leute meine Sachen gut – voll der Flash, ist ja wohl doch nicht alles Rotz im Internet. Aber ein Tag später, ey ohne Scheiss jetzt, an der Wendeschleife bei der Münchener in der Mittagspause am Handy meine Nachrichten gecheckt und da schreibt mir doch so ein Spast er findet mich sexy und würde gern mal „mit mir zusammen dichten“. Und im Anhang ein Dickpic! Ich schwör, ich hab den ganzen Scheiß hingeschmissen. Stecker raus, alle Accounts gelöscht, warum sind eigentlich alle auf der Welt so rotzdoof? Kann mir das mal irgendjemand sagen? Aber ich so zu mir, nee Ulrike, von denen lässt Du Dich nicht unterkriegen, Scheiss auf diese Deppen da draußen, Du schickst Deine Sachen einfach direkt an den Verlag, der druckt Dein Buch, und dann können die Leute Dich alle mal am Arsch. Genug Geschichten hatte ich ja zusammen für einen Sammelband. „Ulrike von der Straßenbahn“ hab ich den genannt, das klingt noch ein bisschen lustig. Vielleicht kann man ja im Untertitel schreiben, dass die anderen die Hölle sind, dachte ich mir. Also raus mit dem Expose an die Verlage, aber ja, Scheiße wars, in den Verlagen arbeiten auch Menschen und die sind genauso deppert wie das Internet. Dickpics hab ich zum Glück keine zurückgekriegt, meistens hab ich gar nichts zurückgekriegt, manchmal irgendso ne scheißfreundliche Absage. Aber dann, tatsächlich, kam eine Zusage vom Krawallverlag in Nürnberg. Yeah! Natürlich hat die Pissnelke von einem Lektor die Hälfte von meinen Geschichten kaputtkorrigiert, aber was solls, Buch ist Buch. Dachte ich. Und dann der Typ vom Verlag so, „sie müssen aber schon einmal im Monat ne Lesung machen, das steht so im Vertrag“. Voll reingefallen, ja typisch Ulrike, wieder mal nicht genau genug gelesen vorm Unterschreiben. Wie ich diese Lesungen hasse. Lauter so Kultur-Hipster die denken sie sind was besonderes, weil sie sich ein Buch vorlesen lassen. Und dann gucken die immer so als ob ich ihnen peinlich wäre und klatschen so scheißfreundlich aus lauter Höflichkeit. Also hab ich mir gedacht, Ulrike, hab ich gedacht, sei nicht blöd, jetzt schreibste halt ein Kinderbuch, da gibts keine Lesungen. Also was mach ich, na klar, das naheliegendste, die drei Geschwister Knick, Krick und Knack, die gehören so zu einem Zwergenvolk, das im Gleisbett von der Straßenbahn lebt, aber eines Tages gehen sie aufs große Abenteuer. War super nervig, das zu schreiben, der Verlag hatte gesagt, die müssen „anständig“ reden (und kein Blut, und kein Sex, und so weiter). Aber ich so, Ulrike, da musst Du jetzt durch, und tatsächlich, hat alles super geklappt, irgendein Depp im Verlag hat noch super cringe schwülstige Bilder dazu gemalt und presto, 10.000 mal hat sich das Ding bisher schon verkauft. Und wie ich heut abend so heimkomm, steht oben auf meinem Briefkasten so ein fetter Umschlag, so fett, dass der Postbüdel ihn gar nicht reingequetscht gekriegt hat, und ich nehm mir ein Bier und mach das Ding auf: Da drin sind irgendwie drei Dutzend Briefe von irgendwelchen Kindern, die schreiben, dass ihnen mein Buch gefallen hat aber wieso eigentlich der Krick an einer Stelle grüne Augen hat und an einer anderen Stelle blaue, oder sie wollen wissen, wann die Fortsetzung kommt. Und der Verlag schreibt, ich hab mich im Vertrag verpflichtet, Leserfragen zu beantworten. Boah ey, würg, kotz, könnt ihr mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ich hab echt so‘n Hals.
Herrlich, danke dir dafür :D Ein schöner Werdegang, aber hey! Zwei Bücher veröffentlicht, wunderbar! Hätte ich auch gern. Und immer dran denken, liebe Ulrike: Genitiv ins Wasser, denn es ist Dativ.
LG Semi
Wir leben nur einmal Wir lieben das Leben (Rammstein)
Hey, @Ralf der Rabe: Du kannst ja auch böse. Sag` mal der Ulrike: Die Hölle, das sind immer die anderen, das wäre `ne ausbaufähige Einstellung. Weiter so!
Die gefällt mir, deine Ulrike! Geht doch nix über ein gesundes Selbstvertrauen! Wobei, irgendwie hat sie ja schon was drauf. Zwei Bücher, das ist doch was! Danke, gefällt mir!
Spring erst und schau dann, wo du gelandet bist. Aber fall dabei auf die Füße.
Lieber @Ralf der Rabe, schade, dass Du es als Stilmittel benutzt hast. So kann ich es leider nicht lesen :(
Liebe Grüße
Renate
„Die schlimmste Sünde, die wir unseren Mitgeschöpfen antun ist nicht, sie zu hassen, aber zu ihnen gleichgültig zu sein: das ist das Wesentliche der Unmenschlichkeit“ George Bernard Shaw
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
@Sonntagscafe tut mir leid, es musste halt so ein un-unterbrochener Wortschwall sein mit kaum Luftholen zwischendurch ;) aber ich seh völlig ein, dass es dadurch schwer lesbar wird. Ich stell mir die Ulrike im echten Leben auch schwer zuhörbar vor!
@Ralf der Rabe Das verstehe ich. Ich mag solche Straßengeschichten und kenne solche Menschen, die ohne Punkt und Komma reden - von Hüden to Betüden. Und ich glaube einfach, dass sie gut ist :)
Liebe Grüße
Renate
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Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Eine lesefeindliche Monsterwand von Text - aber sehr unterhaltsam. Hat Spaß gemacht, Ulrikes Weltsicht kennenzulernen und sie bei ihren ersten Schritten zur Erfolgsautorin zu begleiten.
Zitat von Luziferito im Beitrag #8Eine lesefeindliche Monsterwand von Text
@Luziferito, @Sonntagscafe - habt ihr eine Idee, wie man das verbessern könnte? Ich find es ja auch schwer zu lesen. Ist mein Eindruck, dass es so "ohne Punkt und Komma" eine lesefeindliche Monsterwand sein muss, um eben rüberzubringen, dass man die Ulrike besser jetzt nicht unterbricht, vielleicht falsch - kann man den Text lesefreundlicher gestalten, ohne ihm das Hektische zu nehmen?
Zitat von Ralf der Rabe im Beitrag #9habt ihr eine Idee, wie man das verbessern könnte?
@Ralf der Rabe Vielleicht kurz schreiben, wem sie das erzählt, wo sie ihren Frust los wird und dann ein kurzer Hinweis darauf, dass sie beginnt zu sprudeln ohne Punkt und Komma. Vielleicht hat sie einen dankbaren Zuhörer gegriffen und legt einfach los. Dann in Anführungsstriche setzen und los gehts. Die Absätze könnten ihre Atempausen sein.
Liebe Grüße
Renate
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Zitatkann man den Text lesefreundlicher gestalten, ohne ihm das Hektische zu nehmen?
Probiere einfach ein wenig rum. Ideen hätte ich zwei. Einmal, genau wie Sonntagskaffee schreibt, als Atempause. Lies also den Text selber laut und mach genau dann einen Zeilenumbruch (keinen Absatz), wenn du Luft holen musst. Im Text unterbrichst du dort den Monolog. Oder immer da, wo sie das Thema wechselt. Also den ersten Satz oder Anfang vom neuen Thema noch im alten und dann den Zeilenumbruch.
Mal sehen, ob`s jetzt mit dem Einstellen klappt: @Ralf der Rabe, habe mich an Deinem Text versucht ...
Nö, hat nicht geklappt, die Datei anzuhängen. Hmpf. Dann eben so:
Boah ey, ich hab echt so‘n Hals heute, aber echt. Also ich kann ja nich so gut mit Leuten. Also Menschen. Haustiere, kein Problem, Hund, Katze, Wellensittich, alles schon gehabt, easy peasy. Aber Menschen, da bin ich ganz mit Sartre. War ja sonst bisschen n‘ komischer Vogel, aber die anderen sind wirklich die Hölle. Das ging mir ja schon im Studium so, achwas, in der Schule. Im Kindergarten. Die anderen sind meistens doof, und die paar, die nicht doof sind, die verstehen mich nicht. Oder ich sie nicht, ist auch egal, gibt halt immer irgendwie Zoff. Also mit Männern natürlich im besonderen, fang mir bloß nicht damit an. Die, die ich im Bett haben will, die hauen ab, und die, die endlich abhauen sollen, verstehen das erst, wenn ich ihnen den Koffer vor die Tür stelle. Mein Chef ist auch ein Arsch und meine Kollegen haben den IQ einer Kartoffel. Mehr braucht‘s nicht zum Straßenbahnfahren. Am Anfang dachte ich noch, ich bleib an der Uni, mach was mit Literatur, aber ein Jahr als Assistentin beim Prof hat mir gereicht, was man sich da mit Deppen rumschlagen muss, nee danke. Straßenbahn ist ein sicherer Job, und zwischen mir und den Leuten is‘ ne dicke Scheibe. Besser als Taxi, das ist die andere Option für Germanisten. Machmal klopft irgendso ein hirnloser Passagier an die Scheibe und will ein Ticket kaufen. Keine Augen im Kopf, denk ich immer, und zeig auf das Riesenschild: „Fahrkarten am Automat in der Wagenmitte.“ Boah ey, wenn ich da schon dran denke, krieg ich gleich nochmal n‘Hals, erst erlauben die Knallköpfe vom Duden „wegen“ und „während“ mit Dativ (der Dativ ist dem Genitiv sein Feind, hä hä), und dann sind diese hirnverbrannten Idioten vom Verkehrsverbund sogar für den Dativ zu blöd. Also ich so zu mir, Ulrike, sag ich mir, wenn das Leben für dich so Scheiße ist, dann werd halt Autorin, da bist du der Boss und bestimmst. Ist ja nicht so, dass ich nicht schreiben könnte, also gleich mal ein gescheites Notebook gekauft und angefangen. Das war geil, jeden Deppen, der mir am Tag über den Weg lief, konnte ich am Abend in einer Kurzgeschichte zu Tierfutter machen! Wenn mich ein junger Schnösel ankäst – schwupps, in der Story reißt er eine Frau auf und kriegt dann keinen hoch. Hä hä, ich schreib` dem eine erektile Dysfunktion, geschieht ihm recht! Gibt`s mal wieder Verspätung, weil so ‘ne Omma ihren Krückstock zwischen die Türen schiebt, schreib ich ne Geschichte, in der sie samt Stock zur nächsten Haltestelle geschleift wird. Und der Chef wird erwischt, wie er Druckertinte aus dem Büro klaut und bei E-Bay verhökert, um seine Spielsucht zu finanzieren. Aber ich blöde Kuh musste natürlich größenwahnsinnig werden und meine Sachen unbedingt anderen Leuten zeigen. Merkste was, Ulrike? ANDERE LEUTE! War ja klar, das das sowas von ‘nem Griff ins Klo wird. Ich mich also bei so‘m Forum im Internet angemeldet, Deutsches Autorendingsbums irgendwas. Mein Gott was für Idioten da, das glaub mir echt keiner. Ich so ein paar Geschichten hochgeladen aus meinem reichen Fundus, und was da für Kommentare kommen: Ich könnt`s ja nicht mit Thomas Mann aufnehmen. Oder ob ich nicht doch lieber Kabarettistin werden wollte … Hab bisschen gelesen, was die da so schreiben, scheint aber so der normale Umgangston zu sein. Thomas fucking Mann, ja danke, da können ja gleich alle einpacken, diese Möchtegern-Feuilletonisten da! Ich denen natürlich gleich den Stinkefinger gezeigt. Gibt ja genug von diesen Foren, hab mich gleich beim nächsten angemeldet, diesmal ein zwei andere Geschichten hochgeladen. Aber OMG, da war ich irgendwie in ein Selbsthilfeforum für traumatisierte Autoren geraten, die da immer so „uh mir gehts heute schlecht ich hab Schreibblockade“ und alle anderen „tätschel, tätschel, das wird schon wieder“. Und der erste Kommentar zu meiner Geschichte war, dass ich nicht „Schwuchtel“ schreiben darf und überhaupt bei so viel Gewalt müsste ich eine Triggerwarnung machen, und ob ich vielleicht über meine Probleme reden wollte. Häh, geht‘s noch? Gleich wieder abgemeldet in dem Snowflake-Club, das Gejammer brauch ich echt nicht noch nach Feierabend. Also Forum Nummer drei, diesmal mir bisschen Mühe gemacht und schönes Profil geschrieben mit Foto und nur mal zum Ausprobieren genau die gleichen zwei Geschichten hochgeladen wie bei dem Thomas-Mann-Scheissdings da, nur zum Gucken. Und, gleich fanden zwei Leute meine Sachen gut – voll der Flash, ist ja wohl doch nicht alles Rotz im Internet. Aber ein Tag später, ey ohne Scheiss jetzt, an der Wendeschleife bei der Münchener in der Mittagspause am Handy meine Nachrichten gecheckt. Und da schreibt mir doch so ein Spast, er findet mich sexy und würde gern mal „mit mir zusammen dichten“. Und im Anhang ein Dickpic! Ich schwör, ich hab den ganzen Scheiß hingeschmissen. Stecker raus, alle Accounts gelöscht. Warum sind eigentlich alle auf der Welt so rotzdoof? Kann mir das mal irgendjemand sagen? Aber ich so zu mir, nee Ulrike, von denen lässt Du Dich nicht unterkriegen, Scheiss auf diese Deppen da draußen. Du schickst Deine Sachen einfach direkt an den Verlag, der druckt Dein Buch, und dann können die Leute Dich alle mal am Arsch. Genug Geschichten hatte ich ja zusammen für einen Sammelband. „Ulrike von der Straßenbahn“ hab ich den genannt, das klingt noch ein bisschen lustig. Vielleicht kann man ja im Untertitel schreiben, dass die anderen die Hölle sind, dachte ich mir. Also raus mit dem Expose an die Verlage. Aber ja, Scheiße wars: in den Verlagen arbeiten auch Menschen und die sind genauso deppert wie das Internet. Dickpics hab ich zum Glück keine zurück gekriegt, meistens hab ich gar nichts zurück gekriegt, manchmal irgendso ne scheiß freundliche Absage. Aber dann, tatsächlich, kam eine Zusage vom Krawallverlag in Nürnberg. Yeah! Natürlich hat die Pissnelke von einem Lektor die Hälfte von meinen Geschichten kaputtkorrigiert, aber was solls, Buch ist Buch. Dachte ich. Der Typ vom Verlag: „Sie müssen aber schon einmal im Monat `ne Lesung machen, das steht so im Vertrag“. Voll reingefallen. Typisch Ulrike, wieder mal nicht genau genug gelesen vorm Unterschreiben. Wie ich diese Lesungen hasse. Lauter so Kultur-Hipster die denken sie sind was besonderes, weil sie sich ein Buch vorlesen lassen. Und dann gucken die immer so als ob ich ihnen peinlich wäre und klatschen so scheiß freundlich aus lauter Höflichkeit. Also hab ich mir gedacht, Ulrike, hab ich gedacht, sei nicht blöd, jetzt schreibste halt ein Kinderbuch, da gibts keine Lesungen. Also was mach ich, na klar, das naheliegendste, die drei Geschwister Knick, Krick und Knack, die gehören so zu einem Zwergenvolk, das im Gleisbett von der Straßenbahn lebt, aber eines Tages gehen sie aufs große Abenteuer. War super nervig, das zu schreiben, der Verlag hatte gesagt, die müssen „anständig“ reden (und kein Blut, und kein Sex, und so weiter). Aber ich so: Ulrike, da musst Du jetzt durch, und tatsächlich, hat alles super geklappt, irgendein Depp im Verlag hat noch super cringe schwülstige Bilder dazu gemalt und presto, 10.000 mal hat sich das Ding bisher schon verkauft. Und wie ich heut abend so heimkomm, steht oben auf meinem Briefkasten so ein fetter Umschlag, so fett, dass der Postbüdel ihn gar nicht reingequetscht gekriegt hat, und ich nehm mir ein Bier und mach das Ding auf: Da drin sind irgendwie drei Dutzend Briefe von irgendwelchen Kindern, die schreiben, dass ihnen mein Buch gefallen hat aber wieso eigentlich der Krick an einer Stelle grüne Augen hat und an einer anderen Stelle blaue, oder sie wollen wissen, wann die Fortsetzung kommt. Und der Verlag schreibt, ich hab mich im Vertrag verpflichtet, Leserfragen zu beantworten. Boah ey, würg, kotz, könnt ihr mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ich hab echt so‘n Hals!
Ich finde, der Text braucht nicht diese Wand als Stilmittel, denn nach meinem Empfinden, trägt sie eigentlich nichts zum Schmunzelmonolog bei. Die gedankliche Hektik, das Springen von einem Thema zum nächsten, käme auch mit Absätzen gut rüber. Ich würde bei deutlichem Themawechsel welche einbauen. Wäre doch schade, wenn manch einer den skurrilen Monolog wegen der Wand nicht lesen würde (ich habe auch kurz gezögert, ob ich mir das antun will).
Nachdem ich nun Isbahans Version lesen konnte, kann ich sagen, das es dem ganzen Monolog keinen Abbruch tut. Ich kann mir Ulrike lebhaft vorstellen, wie sie wild und ungefiltert alles aus sich raus sprudeln lässt.
Liebe Grüße
Renate
„Die schlimmste Sünde, die wir unseren Mitgeschöpfen antun ist nicht, sie zu hassen, aber zu ihnen gleichgültig zu sein: das ist das Wesentliche der Unmenschlichkeit“ George Bernard Shaw
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
Ich würde grad nicht beim Themawechsel Absätze machen. Ich würde sie grad - wenn überhaupt! - grad mitten in einem Satz machen, da wo Ulrike Luft holt, um die letzten drei Wörter eines Satzes noch hinauszupusten und dann ohne Absatz weiterschreiben bis sie sich wieder in Rage redet und irgendwo mitten drinnen Luft holen muss. Nein, das wären keine Absätze, es würde nur eine neue Zeile beginnen. Ich höre sie reden und ich sehe sie vor mir wie einen bunten Vogel mit schriller Stimme und ohne Kinder-Elefant zwischen ihr und mir, direkt auf mir drauf mit ihrer Spucke in meinem Gesicht.
Danke für Eure Vorschläge und @Isbahan für die komplette Neubearbeitung ;) Ich werd mal selber ein bisschen rumprobieren. Die Isbahan-Version ist schon viel besser zu lesen, aber diese Absätze haben halt schon immer was von - Pause - Innehalten - Sammeln - Weiterreden. Vielleicht probier ich mal die Idee von @emeus aus. Wenn man die Absätze an Stellen setzt, wo sie so "mittendrin" sind, dass der Leser praktisch gezwungen ist, sofort weiterzulesen, dann kann man vielleicht das ohne-Unterlass-Schimpfen transportieren, ohne zugleich den Lesefluss zu ruinieren...
Beispiel: Boah ey, ich hab echt so‘n Hals heute, aber echt. Also ich kann ja nich so gut mit Leuten. Also Menschen. Haustiere, kein Problem, Hund, Katze, Wellensittich, alles schon gehabt, easy peasy. Aber Menschen, da bin ich ganz mit Sartre. War ja sonst bisschen n‘ komischer Vogel, aber die anderen sind wirklich die Hölle. Das ging mir ja schon im Studium so, achwas, in der Schule. Im Kindergarten. Die anderen sind meistens doof, und die paar, die nicht doof sind, die verstehen mich nicht. Oder ich sie nicht, ist auch egal, gibt halt immer irgendwie Zoff. Männer natürlich im besonderen, fang mir bloß nicht damit an. Die, die ich im Bett haben will, die hauen ab, und die, die endlich abhauen sollen, verstehen das erst, wenn ich ihnen den Koffer vor die Tür stelle. Mein Chef ist ein Arsch, meine Kollegen haben den IQ einer Kartoffel. Mehr braucht‘s nicht zum Straßenbahnfahren. Am Anfang dachte ich noch, ich bleib an der Uni, mach was mit Literatur, aber ein Jahr als Assistentin beim Prof hat mir gereicht, was man sich da mit Deppen rumschlagen muss, nee danke. Straßenbahn ist ein sicherer Job, und zwischen mir und den Leuten is‘ ne dicke Scheibe. Besser als Taxi, das ist die andere Option für Germanisten. Machmal klopft irgendso ein hirnloser Passagier an die Scheibe dran und will ein Ticket kaufen. Keine Augen im Kopf, denk ich immer, und zeig auf das Riesenschild: „Fahrkarten am Automat in der Wagenmitte.“ Boah ey, wenn ich da schon dran denke, krieg ich gleich nochmal n‘Hals, erst erlauben die Knallköpfe vom Duden „wegen“ und „während“ mit Dativ (der Dativ ist dem Genitiv sein Feind, hä hä), und dann sind diese hirnverbrannten Idioten vom Verkehrsverbund sogar für den Dativ zu blöd. Also ich so zu mir, Ulrike, sag ich mir, wenn das Leben für dich so Scheiße ist, dann werd halt Autorin, da bist du der Boss und bestimmst. Und ist ja nicht so, dass ich nicht schreiben könnte, also gleich mal ein gescheites Notebook gekauft und angefangen. Boah, das war geil, jeden Deppen, der mir am Tag über den Weg lief, konnte ich am Abend in einer Kurzgeschichte zu Tierfutter machen! Wenn mich ein junger Schnösel ankäst – schwupps, in der Story reißt er eine Frau auf und kriegt dann keinen hoch. Hä hä, erektile Dysfunktion, geschieht ihm recht. Gibts mal wieder Verspätung, weil so‘ne Omma ihren Krückstock zwischen die Türen schiebt, schreib ich ne Geschichte, in der sie samt Stock zur nächsten Haltestelle geschleift wird. Und der Chef wird erwischt, wie er Druckertinte aus dem Büro klaut und bei E-Bay verhökert, um seine Spielsucht zu finanzieren. Aber ich blöde Kuh musste natürlich größenwahnsinnig werden und meine Sachen unbedingt anderen Leuten zeigen wollen. Merkste was, Ulrike? ANDERE LEUTE! War ja klar, das das sowas von‘nem Griff ins Klo wird. Ich mich also bei so‘m Forum im Internet angemeldet, Deutsches Autorendingsbums irgendwas. Mein Gott was für Idioten da, das glaub mir echt keiner. Ich so ein paar Geschichten hochgeladen da aus meinem reichen Fundus, und was da für Kommentare kommen, ich könnts ja nicht mit Thomas Mann aufnehmen, oder ob ich nicht doch lieber Kabarettistin werden wollte oder so. Hab bisschen gelesen, was die da so schreiben, scheint aber so der normale Umgangston zu sein. Thomas fucking Mann, ja danke, da können ja gleich alle einpacken, diese Möchtegern-Feuilletonisten da, ich denen natürlich gleich den Stinkefinger gezeigt, gibt ja genug von diesem Foren, hab mich gleich beim nächsten angemeldet, diesmal ein zwei andere Geschichten hochgeladen. Aber OMG da war ich irgendwie in ein Selbsthilfeforum für traumatisierte Autoren geraten, die da immer so „uh mir gehts heute schlecht ich hab Schreibblockade“ und alle anderen „tätschel, tätschel, das wird schon wieder“, und der erste Kommentar zu meiner Geschichte war, dass ich nicht „Schwuchtel“ schreiben darf und überhaupt bei so viel Gewalt müsste ich eine Triggerwarnung machen, und ob ich vielleicht über meine Probleme reden wollte. Häh, geht‘s noch? Gleich wieder abgemeldet in dem Snowflake-Club, das Gejammer brauch ich echt nicht noch nach Feierabend.
So hast du immer noch alles im Ganzen, doch das Auge kann sich besser orientieren und es liest sich dadurch leichter. Wo du den Zeilenumbruch setzt, ist dabei völlig egal.
Ich fands aufjedenfall köstlich und macht irgendwie Lust auf mehr. Sehr viel Energie, auch diese Idee mit der Straßenbahn.
Kennt jemand Tatortreiniger? Ulrike spricht auf jeden Fall ähnliche Gefühle an :) Man könnte immer wieder über sie eine Kurzgeschichte schreiben, in der sie wieder von irgendeinem Individuum der Gesellschaft auf die Palme gebracht wird. Hervorragend.
Es war ein wenig anstrengend den Text zu lesen, aber deine Ulrike ist ja auch keine einfache Person! Ich kann sie mir lebhaft vorstellen, möchte ihr aber nicht unbedingt begegnen. . . wobei ich zugeben muß, daß so ein klitzekleines Ulrikchen sich auch in mir von Zeit zu Zeit bemerkbar macht . . . LG