Ich lese gerade ein Buch über "gute Literatur", es heisst "Die Schlange im Wolfspelz". Der Autor und ich haben einige Pedanterien gemeinsam, das freut mich beim Lesen (schade, dass czil nicht mehr da ist, denn die Unterscheidung zwischen "scheinbar" und "anscheinend" ist eine davon, das könnte ich ihm nun süffisant aufs Brot schmieren).
Aber auf eine sprachliche Korinthe wird in dem Buch aufmerksam gemacht, über die ich bislang nie nachgedacht habe: Nämlich dass Formulierungen mit "um zu" immer eine Handlung des Satz-Subjektes ausdrücken müssen. Korrekt ist also beispielsweise: "Ich gehe in den Wald, um Pilze zu sammeln", nicht korrekt aber "Ich schicke meine Frau in den Wald, um Pilze zu sammeln" (weil das Pilzesammeln jetzt nicht mehr die Handlung des Satz-Subjektes ist). Hier müsste man dann beispielsweise mit "damit sie Pilze sammelt" arbeiten, oder wenn man altertümlich schreiben will mit "auf dass sie Pilze sammele". Falsch sind auch negative Formulierungen wie "Das Blechdach war zu heiß, um darauf zu gehen" (oder "darauf gehen zu können"), denn der, der geht, ist nicht Blechdach.
Das wollte ich nur zum Besten geben. Vermutlich ist es der einen Hälfte von Euch eh egal, und die andere wusste es schon längst ;)
Beruhigenderweise schreibt der Autor in seinem Buch auch, dass korrekte Grammatik und Wortwahl nicht unbedingt etwas mit gutem Stil zu tun haben - man kann trotz (oder gerade wegen) solcher Fehler einen guten Stil haben, und zugleich ist die Abwesenheit solcher Fehler kein Garant für einen guten Stil.
Verrückt. Wusste ich nicht. Und werd ich vermutlich bis zum nächsten Mal "um zu" -Nutzen wieder vergessen haben :D Bitte jetzt nicht in allen einen Texten anmerken ;)
Nach uns wird es vorher geben | Aus der Jugend wird schon Not | Wir sterben weiter bis wir leben | Sterben lebend in den Tod. (Rammstein - Zeit)
Interessant! Aber bei mir liegt beim Schreiben definitiv der Fokus woanders, wahrscheinlich werde ich das auch weiterhin falsch machen. ^^
Aber könnte man nicht argumentieren, dass Sprache ein lebendiges Konstrukt ist und die Art und Weise, wie wir heute sprechen und schreiben, vor einhundert Jahren oder noch weiter zurück auch von Grund auf "falsch" gewesen wäre? Wenn also 99 % der Deutschen "um zu" falsch verwenden, vielleicht wird das irgendwann einfach als die gängige Art, es zu verwenden, adaptiert?
@Tanith Das kann man auf jeden Fall so sagen, die Sprachwissenschaft sieht das auch so. Mittlerweile steht "weil" mit Verbzweitstellung (also z.B. "weil ich habe morgen ein Interview") sogar im Duden drin, glaub ich. Zwar noch nicht als akzeptierte "hochdeutsche" Form, aber immerhin steht es drin. In den nächsten Jahrzehnten wird es vermutlich genauso grammatikalisch korrekt wie das ursprüngliche "weil" mit Verbletztstellung. Die zwei Varianten haben im Übrigen auch leicht unterschiedliche Bedeutungen/Funktionen, also handelt es sich auch überhaupt nicht um "Verrohung" der Sprache oder so ein Quatsch, tatsächlich bilden sich hier weitere Nuancen raus :)
Ich weiß allerdings nicht, wie weit der Sprachwandel bei "um zu" ist. Ich hatte vorher auch noch nie davon gehört! Vielleicht ein Indiz dafür, dass viele Menschen diese Einschränkung von "um zu" auf das Subjekt gar nicht mehr wahrnehmen. (also nicht spezifisch, weil ich das nicht kannte, sondern weil bisher alle in diesem Thread überrascht waren xD)
@Ralf der Rabe Das Buch hab ich auch daheim und fand es vom Autor gut geschrieben, da auch für mich, die Regeln vehement vergisst, verständlich geschrieben. Das verstehen und umsetzen sind dann wieder bei mir zwei verschiedene Sachen.
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Für mich war das mit dem "um zu" ebenfalls neu. Aber wie einige schon angemerkt haben, ist Sprache was lebendiges und demzufolge wandelbar. Ich erinnere mich noch, ich glaube, es war Bastian Sick in einem dieser "Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod"-Büchern, der die Wortfolge: "das macht Sinn" als eine aus dem Englischen (that makes sense) übernommene Unsitte anprangerte. Heute hört man es ständig und hat längst schon Eingang in den Duden gefunden.
Apropos Duden:
„Wie stets, wenn etwas nur lange genug unkorrekt gebraucht wird, ist unsere große Hure Duden zur Stelle und kassiert es als korrekt.“
(zitiert nach Wolf Schneider: Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde. Piper 2002)
Zitat von Raffaele im Beitrag #10„Wie stets, wenn etwas nur lange genug unkorrekt gebraucht wird, ist unsere große Hure Duden zur Stelle und kassiert es als korrekt.“
(zitiert nach Wolf Schneider: Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde. Piper 2002)
Ich persönlich finde das Zitat völlig daneben. An anderer Stelle wurde das Thema "Duden" bereits vor einiger Zeit diskutiert, und wenn man sich ein wenig damit auseinandersetzt, stellt man fest, dass es keine Einrichtung gibt, die den Gebrauch der Sprache vorgibt. Selbst der Rechtschreibrat versteht sich nur als beobachtendes Organ. Vielleicht hätte Herr Schneider das beachten sollen, bevor er solche Bemerkungen veröffentlicht. Ebenso wie die Rechtschreibung ist auch der Stil dem Wandel der Zeit unterworfen. Nicht immer schön, aber ohne diese Entwicklung würden wir heute noch mittel-, wenn nicht althochdeutsch sprechen.
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Ihr habt hier doch alle nur kommentiert um etwas zu schreiben!
Spaß beiseite: Scheint ja ein herrliches Klugscheißer-Buch zu sein. Aber, wie hier schon angemerkt wurde, ist Sprache lebendig und wenn ich keinen hochtrabend intellektuellen Schinken schreiben will, dann nutze ich (wenn es zu Geschichte und Figuren passt) eben auch die Umgangssprache. Für die 0,02% der Lesenden, die den korrekten Gebrauch von "um zu" kennen, tut es mir natürlich leid.
Intuitiv würde ich meine Frau allerdings zum Pilzesammeln schicken und nicht um Pilze zu sammeln. Ganz realistisch gesehen, würde ich sie aber überhaupt nicht schicken, weil sie sich a) von mir nicht schicken lassen würde und sie b) keine Ahnung von Pilzen hat. Na gut, vielleicht wäre ein Giftpilz dann die Rache für das Schicken gewesen?
Die Blechdach-Sache zeigt mal wieder, dass so eine verallgemeinerte Form selten gut ist. Würde man die Figur, die über das Blechdach geht mit einbeziehen, gäbe es sicher eine geringere Fehlerquote. Obwohl das dann ein ziemlich umständliches Satzkonstrukt wäre.
Na ja ... haben wir wieder was gelernt, vielen Dank.